Am 1. Dezember 2019 kommt es mit dem 4. ABO-KAMMERMUSIKKONZERT „ERLEBE SOL“ zum Finale der Spielzeit 2019. Vor dem Konzert konnten wir dem musikalischen Leiter des OPUS KLASSIK preisgekrönten Renner Ensemble Regensburg, Hans Pritschet, ein paar Fragen stellen.
Anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums steht das Fürstentum Liechtenstein auch musikalisch im Fokus. Welchen Bezug haben Sie zu Liechtensteiner Komponisten wie Josef Gabriel Rheinberger und wie beeinflusste er die Musik seiner Zeit?
Hans Pritschet (HP): Als Regensburger Domspatz ist man schon sehr früh mit der Chormusik Rheinbergers in Kontakt gekommen, zumal die letzten Domkapellmeister Georg Ratzinger und Roland Büchner grosse Rheinberger-Verehrer sind. Als Organist habe ich ausserdem viele seiner Orgelkompositionen im Repertoire wie die 4. Orgelsonate in a-Moll und natürlich auch die international präsente Kantilene aus der 11. Sonate. Rheinberger war zu seiner Zeit sehr einflussreich. Man kann es daran ablesen, dass viele Instrumentalisten und Chöre – speziell auch Männerchöre – Auftragskompositionen an ihn vergaben, auch, dass einige Tonsetzer wie Max Reger ihm ihre Werke widmeten. Besonders aber scheint mir seine Lehrtätigkeit in den Fächern Orgel und Komposition an der damaligen Münchner Musikschule und der Akademie der Tonkunst wegweisend gewesen zu sein. Denn unter seinen Schülern sind so namhafte Komponisten wie Max Bruch, Richard Strauss, Engelbert Humperdinck vertreten, aber auch Joseph Renner jun., nach dem sich unser Ensemble benannt hat. Dieser Zulauf an Studenten war damals in Regensburg nicht gern gesehen. Hier herrschte die restaurative Bewegung in der Musik: Die Cäcilianer um Franz X. Haberl und Michael Haller. Sie hatten sich auf das Vorbild Palestrina eingeschworen und liessen andere Musik, die ihnen zu opernhaft, zu theatralisch und zu chromatisch war, nicht gelten. Warum dieser Bannstrahl auch das Œuvre Rheinbergers traf, ist für unsere Ohren heutzutage nicht mehr nachzuvollziehen. Oder war es damals nur Missgunst gegenüber dem Rivalen in München? Man hatte ja in Regensburg die erste katholische Kirchenmusikschule der Welt gegründet und wollte viele Studenten nach Regensburg locken, weg von der Münchner Konkurrenz. Jedenfalls hatte auch unser Namensgeber Joseph Renner jun., damals Domorganist in Regensburg, erhebliche Probleme mit den Cäcilianern, weswegen er sich dazu entschloss, seine Werke unter zwei verschiedenen Namen zu veröffentlichen. Seinen Geburtsnamen bekamen die „modernen“ spätromantischen Stücke, unter dem Pseudonym „Sephner“ publizierte er einfachere Werke, die auch den Herren um Michael Haller genehm waren. Vielleicht können wir als Regensburger Ensemble mit unserem Konzert in Vaduz eine Art Wiedergutmachung an Rheinberger und seinem Schaffen leisten.
Das Programm des 4. Abo-Konzerts ist dramaturgisch stringent gestaltet. Wie entstand die Idee dazu?
HP: Ich liebe es, bei konzertanten Komponisten-Porträts fragend ins Umfeld der Tonsetzer zu blicken: Woher kommen die Ideen und der eigene Kompositionsstil, wie ist die Haltung und Meinung der Komponistenkollegen der damaligen Zeit und wie sind die Nachwirkungen in der nachfolgenden Generation zu spüren? Da ist die Vita von Rheinberger sehr erspriesslich, da er immer mit heute noch bekannten Musikern in Kontakt stand. Über seinen Lehrer Franz Lachner, der mit Schubert befreundet war, erhielt er beste Einblicke in den kantablen Stil und in den Kontrapunkt. Wir wollen erlebbar machen, wie zu Rheinbergers Zeit andere Tonsetzer wie Wagner, Brahms und später Reger komponiert haben. Bedeutende Schüler Rheinbergers habe ich schon erwähnt. Einer unter ihnen ist auch George W. Chadwick, der aus den USA nach Deutschland zum Musikstudium kam und das, obwohl ihn sein Vater wegen dieses Studienwunsches enterbt hat. Wir präsentieren dem Publikum ein lustiges Stück, das er vermutlich zu seiner Münchner Studienzeit auf einen deutschen Text von Joseph Viktor von Scheffel geschrieben hat.
Wie sehen Sie die musikalische Nachwuchsförderung in Liechtenstein?
HP: Wir sind aus Regensburg und damit aus einer Stadt, in der die musikalische Profiausbildung in speziellen Schulen und Hochschulen gleichermassen angeboten wird. Alle Mitglieder des Renner Ensembles waren bei den Regensburger Domspatzen und konnten von den Chorproben, der Stimmbildung und dem Instrumentalunterricht im „Mutterhaus“ profitieren. Hier kann man also ganz klar eine Parallele zu Liechtenstein und seinen exzellenten Förderprogrammen für alle Altersklassen ziehen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass Regensburg eine Grossstadt ist, in der es in etwa so viele Studenten wie im Fürstentum Einwohner gibt. Die Anziehungskraft, die von der Liechtensteiner Musikakademie ausgeht, muss demnach ungleich grösser sein, um diese unglaublichen Talente aus der ganzen Welt zu gewinnen. Als Preisträger des OPUS KLASSIK 2018 ist das Renner Ensemble das erste Mal auf die herausragenden musikalischen Leistungen der jungen Ensembles in Liechtenstein aufmerksam geworden. Über unser gemeinsames Label ARS Produktion kamen wir mit Drazen Domjanic ins Gespräch, der hinter dieser Nachwuchsarbeit steht. Durch den während der Preisverleihung ausgestrahlten Beitrag über das Ensemble Esperanza erkannten wir, welche Qualität die Stipendiaten aus der Liechtensteiner Förderung und damit auch deren Ausbildung haben. Anschliessend konnten wir durch die Freundschaft auf Facebook verfolgen, wie zahlreich und hochwertig die Projekte sind, an denen Drazen und die jungen Künstler ständig arbeiten. Es ist ganz klar erkennbar, dass sich die Klassikszene im Fürstentum mit der Nachwuchsförderung in einer Aufwärtsspirale befindet. Die Schüler lernen von den Lehrern, die Lehrer lernen zusammen mit den Schülern und durch Konzerte auf höchstem Niveau wird die ganze Welt auf den Klassikstandort Liechtenstein aufmerksam.
Sie leiten ein reines Männervokalensemble. Was reizt Sie an diesem Repertoire?
HP: Bevor mich das Renner Ensemble 2011 zu seinem künstlerischen Leiter wählte, hatte ich einige gemischte Chöre in dirigentischer Obhut: Kirchenchöre, den Chor der Musikpädagogik an der Universität Regensburg und auch ein exquisites kleines Vokalensemble. Über Männerchöre hatte ich verschiedentlich wegen Überalterung und mangelnder Qualität die Nase gerümpft. Und dann hörte ich das Renner Ensemble und war sofort begeistert. Der sehr weiche und samtene Chorklang hat mich gleich fasziniert, für romantische Chormusik bestens geeignet. Zugleich spürte ich die Wurzeln meiner eigenen sängerischen Vergangenheit. Ich war wieder im Nest der Regensburger Domspatzen gelandet. Neben der Pflege der Musik der Regensburger Tradition sah und sehe ich die Erarbeitung neuer aktueller Chorliteratur und die Neuerkundung tradierter Männerchorliteratur im Fokus unseres Ensembles. Dazu gehört auch das Schaffen Rheinbergers. Seine Werke für Männerchor sind ebenso wie die Chorballaden des Schweizer Friedrich Hegars in aktuellen Programmen viel zu wenig präsent.
Worauf kommt es Ihrer Erfahrung nach als Chorleiter an?
HP: Ich denke, dass es neben den selbstverständlichen dirigentischen und stilistischen Qualitäten bei den Chören im Amateur- und halbprofessionellen Bereich immer auf die Balance ankommt: Ich darf die Sänger nicht über-, aber auch nicht unterfordern. Der Schwierigkeitsgrad muss für das Ensemble passend sein. Bei der Auswahl der Stücke gilt es, nicht gegen den musikalischen Geschmack der Sänger zu operieren. Man muss auch Stücke, an denen man selber vielleicht hängt, aus dem Programm nehmen, wenn sie trotz wiederholtem Proben keinen Gefallen finden. Und man darf neben der intensiven Arbeit an den Werken den Spass am gemeinsamen Singen nicht vergessen! Nur so hält ein Ensemble länger zusammen und kann die Zuhörer begeistern. Das wollen wir auch bei unserem Konzert in Vaduz. Wir freuen uns auf Liechtenstein!
Wir bedanken uns herzlich für das Interview, und wünschen viel Erfolg für das Konzert am 1. Dezember um 11:00 Uhr im Rathaussaal Vaduz. Karten unter +423 792 63 52 oder über unser Kontaktformular oder per Mail an office@sinfonieorchester.li.
© Simon Zaus